Dienstag, 14. April 2020

In Corontäne

Jetzt ist es gut ein Jahr her als ich den letzten Post verfasst habe. Wahnsinn, was in einem Jahr alles passieren kann.

Unser vergangenes Jahr war sehr turbulent. Ich hatte zwei Kieferoperationen, mein Großer eine Kiefer-Op und eine Operation am Bein mit seiner (und meiner) ersten Vollnarkose. Mein Jüngster hat sich den selben Zahn mehrmals ausgeschlagen und meine Tochter ist ihrem Kindsein für meinen Geschmack viel zu früh entwachsen. Jeder von uns hat Arztbefunde angehäuft und als ich sie unlängst im passenden Ordner abgelegt habe, wurde mir erst richtig bewusst, wie turbulent nicht nur 2019, sondern die ganzen letzten Jahre waren. Keine Zeit zum Verschnaufen, sondern weitermachen, durchkämpfen, durchbeißen (oder halt dann nur noch Suppe schlürfen), weitermachen.

Zum Glück ist alles gut gegangen. Am heutigen Tage zurückzuschauen und zu sehen, was wir (oder auch ich) alles geschafft haben, macht mich froh, dass alles so gekommen ist, wie es ist.

Ich hab es sogar ein halbes Jahr lang geschafft, nur Farben zu tragen, die meinem Typ entsprechen. Als ich mir endlich wieder erlaubt habe, schwarz zu tragen, war das wie Heimkehren. Im Nachhinein kann ich über diesen Selbstversuch nur lachen. Was ich daraus gelernt habe? Natürlich macht es einen Unterschied, welche Farben man trägt. Gerade als Frau wird man extrem unterschiedlich wahrgenommen, ob man Emanzenschwarz oder Püppirosa trägt. Am Ende zählt aber doch nur, ob man sich wohlfühlt. Ich trage die Kleidung und nicht: die Kleidung trägt mich.

Bild von hier

Zeit. Ein unglaublich wertvolles, spärliches Gut im normalen Alltag.
Allerdings ist normal gerade alles andere als das, was wir, du und ich und die ganze Welt gerade erleben. Covid-19 hält die Erde seit einiger Zeit fest im Griff und die "neue Normalität", wie es in der österreichischen Politik so schön heißt, ist schon fast nicht mehr neu sondern vertraut geworden. Soziale Kontakte sind weitestgehend eingeschränkt, Home Schooling ist DAS neue Ding (an dieser Stelle vielen Dank an all die Vorreiter, die ihr Wissen im Internet so großzügig mit uns Newbies teilen!), jeder versucht seine Position zu finden. Systemrelevant oder nicht. Die einen haben so viel zu tun, dass sie gar nicht wissen, wo ihnen der Kopf steht. Die anderen - wie ich - haben plötzlich Muße (genau so viel Muße wie man als Alleinerziehende von drei Kindern im Alter von 9-17 eben haben kann ;) ).

Brotbacken: für mich keine neue Sache, aber das Brot wird mit der Übung definitiv schmackhafter.

Wie so oft, wenn man plötzlich Zeit hat, tauchen all die unerledigten kleinen Dinge in einem Selbst an die Oberfläche und beißen. Oder große, längst erledigt geglaubte Dinge, wie in meinem Fall. Ich hab noch gescherzt zu Anfang - solange ich nicht in die Isolation muss, mach ich bei allem mit. Zwei Tage später kam dann die Ankündigung der Ausgangsbeschränkung. Ein Schock für mich. 10 Tage hat es bei mir gedauert mich aus meinem eigenen Sumpf aus Ängsten wieder zu befreien, der sich so unvorbereitet gehoben hat. Wir alle werden oder wurden mit uns selbst konfrontiert, jeder auf seine persönlich schwierige Weise. Ich bin kein Systemromantiker. Ich kann mich nicht hinstellen und sagen, wow, endlich wird es ruhig, beschaulich, endlich fahren weniger Autos, schläft die Industrie, die Delfine kehren in die Häfen zurück. Ich denke an die Menschen, die dadurch unter die Armutsgrenze fallen, die vorher schon in schwierigen Bedingungen waren und nun in eine Situation kommen, die unzumutbar ist, um noch ein Mensch zu sein. Ich denke an die Familien, wo Gewalt eskaliert, auf engstem Raum zusammengepfercht. An Existenzen, die zugrunde gehen. Hier in Österreich fallen wir auf die Butterseite, größtenteils, aber auch hier sieht es nicht für alle so rosig aus. Wenn ich schon das Gefühl habe, dass das Ende der Welt gekommen ist, wie geht es dann anderen? Was wird das mit uns als Gesellschaft machen, dass wir jene zurücklassen, die unserer Hilfe bedürfen? Was macht das mit unseren Kindern?

Auch hier wohnen Kinder. Halten wir gemeinsam durch.

Und ich selbst im HomeOffice mit drei schulpflichtigen Kindern, diese im HomeSchooling zu belernen, während die Lehrer immer mehr und mehr Aufgaben schicken, die die Kinder gar nicht selber zu erfüllen in der Lage sind, mein Großer mit beginnender Augenentzündung, weil er täglich 10-12 Stunden mit Lernaufgaben am PC beschäftigt ist, gleichzeitig unbeschreibliche Ängste aus meiner eigenen Vergangenheit, die mich überschwemmt haben - naja, das ist zum Glück überstanden.

Tolle Anleitung zum Selbernähen von Naehtalente.de

Ich bin jetzt in Kurzarbeit. Und damit, um ehrlich zu mir selbst zu sein, in der Luxusvariante eines systemirrelevanten Arbeiters/Arbeiterin. Ich habe etwas bekommen, dass ich in den letzten Jahren nie hatte: Zeit. Plötzlich. Kann erkennen, dass Home Schooling - wie ich immer vermutet habe - etwas ist, dass mir wahnsinnig viel Spaß macht. Das Arbeitspensum der Schulen hat sich auch auf ein vernünftiges Maß eingependelt - in dieser Krise gilt besonders "Learning by Doing".

Haushalt will auch gelernt sein.

Ich habe meine Kinder um mich. Etwas, das ich bedingungslos genießen kann. Sie sind ja auch schon so groß, dass sie sich durchaus zwischendurch selbst beschäftigen können. Natürlich kein Vergleich mit der Zeit, als sie alle ganz klein waren.

Kinder, sind die groß geworden!!

Meinen drei Brüdern - alle systemrelevante Arbeitskräfte - und ihren Familien geht es gut. Meiner Mama geht es gut. Meine Oma bleibt brav zuhause und lässt es sich gut gehen -  uns geht es gut. Das ist ein Luxus, für den ich unfassbar dankbar bin. Ich sitze zuhause und kann mich dem widmen, was mir am Herzen liegt. Endlich - das erste Mal in über 17 Jahren - hab ich nicht das Gefühl, zu wenig Zeit für meine Kinder zu haben. Es bleibt sogar noch Zeit für mich übrig. Zeit zum Lesen (Frank Yerby - Das Erbe der Bentons), Zeit zum Film schauen (Jim und Jules, All about Eve..), Zeit zum Malen.

Öl auf Leinwand

Zeit, um mein 2018 abgeschlossenes Konzeptalbum anzugehen. Den ersten Song präsentiere ich - stolz - in meinem nächsten Post.

Schaut gut auf Euch! Wenn Ihr alleine seid, seid Ihr mit anderen Themen konfrontiert, als wenn Ihr Euch um jemanden kümmern müsst. Ob Ihr arbeitet  oder zuhause seid - das alles macht einen wesentlichen Unterschied. Das Wichtigste ist, nicht zu vergessen, dass man beim Wohl aller Beteiligten auch selbst dazu gehört.

Tolles neues Brotrezept von TR - die Kinder lieben es - danke nochmal!

Das Wichtigste in meinem Leben, das sind die Menschen, Ihr seid das. Ich wünsche mir, dass wir uns alle wohlbehalten wiedersehen, wenn das Ganze hier vorbei ist. Dass wir uns in den Arm nehmen, gemeinsam trauern und lachen, genauso wie davor.

In diesem Sinne,
Eure Ena



4 Kommentare:

  1. Du bist ja genauso produktiv auf deinem Blog wie ich! Heute habe ich hier vorbeigeschaut, um meine Linkparty vom Blog zu entfernen, und bei mir rechts in der Spalte sind die abonnierten Blogs. Deiner ist fast ganz oben, also ein neuer post, und so habe ich gelesen.

    Ich bin auch in Kurzarbeit und im Home-Office und nicht systemrelevant, und ich schiebe eine ganz ruhige Kugel. Ich habe zu tun, aber nichts, das brennt. Meine Kinder sind 15 und beschulen sich selbst. Ich sorge für Essen und dass das System hier läuft. Ein Monat schon, und ich habe noch viel gar nicht angefangen, was ich mir für die Zeit vorgenommen habe! Ich fürchte, sie wird schneller wieder verrinnen, als mir lieb ist.

    Ich lasse dir also einen lieben Gruß da, und ja - dein Blog wurde (zumindest von mir) gelesen! NuF/Ulli

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    1. Liebe Ulli, ich freu mich riesig über deine Nachricht! Nicht systemrelevant zu sein kann auch seine Vorteile haben und ich versteh dich gut, die Zeit vergeht auch mir sehr schnell momentan. Wenn ich denke, dass nun schon ein Monat vergangen ist, kann ich es kaum glauben. Schön, dass es Euch soweit gut geht! Viele liebe Grüße und hoffentlich liest man sich bald wieder :) Ena

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    2. Ich gestehe, ich bin auf Instagram aktiver als hier am Blog. Das geht so insta-nt schnell dort :-) nuf_werkt heiße ich da, falls du dort auch bist.
      liebe Grüße nochmal, Ulli

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  2. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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